Infos zu Fritz Bauer November 2024

Liebe Interessierte des Fritz Bauer Freundeskreises,
anbei wieder einige aktuelle Infos zum Thema Fritz Bauer:

  1. Fritz Bauer und die evangelische Kirche
    Am 27. Mai 2024 hielt Dietrich Kuessner im Fritz Bauer Freundeskreis einen Vortrag mit dem Titel „Die Anfrage Bauers an die evangelische Kirche“. Dabei bezog sich Kuessner auf Schreiben von Fritz Bauer an den evangelischen Landesbischof Erdmann im Vorfeld des Remer-Prozesses im Jahr 1951 mit der Bitte um Nennung einer Person, die aus Sicht der evangelischen Kirche ein Gutachten zu dem Widerstand des 20.Juli erstellen könnte. Der Bischof konnte leider keine Person benennen, zeigte aber weiter Interesse an dem Thema.
    Der kurze Briefwechsel ist durchaus interessant, zeigt er doch, welche Bedeutung die Kirchen für Bauer im Remer-Prozess hatten. Obwohl Bauer aus einem jüdischen Elternhaus kam, er sich immer wieder als „glaubenslos“ bezeichnet hatte, bezog er die Kirchen für Gutachten im Prozess mit ein. Bauer selber hatte in Tübingen auch zwei Semester evangelische Theologie studiert.
    Kuessner gibt einen kleinen Einblick in die Thematik. Interessant ist auch, dass sich schließlich kein lutherischer, sondern nur ein reformierter Theologe (Prof. Iwand) fand. Dazu ein kurzer Bericht.  Anhang 1
    Zur Person von Dietrich Kuessner: Er war evangelischer Pfarrer in der Region Braunschweig, eine Art „enfant terrible“ der evangelischen Kirche, der zahlreiche kritische Artikel zur Geschichte der evangelischen Kirche in der NS-Zeit geschrieben hatte. Er hielt den Vortrag im Alter von 90 Jahren. Nur etwa drei Monate später starb er friedlich am 2.September 2024.
    Im Anhang ein Artikel aus der Braunschweiger Zeitung vom 13.09.2024 zum Tode Kuessners mit dem Titel „Der schwule Rabbi im weißen Talar“                               Anhang 2
  1. Fritz Bauer und „der Widerstand des kleinen Mannes“
    Fritz Bauer ging es nicht nur um den „großen“ Widerstand, sondern auch um den „kleinen“ Widerstand.
    Katharina Rauschenberger wird dazu im Fritz Bauer Freundeskreis am 25.11.2024 einen Vortrag halten – mit dem Untertitel „Der Kampf um die Demokratie in der postnationalsozialistischen Bundesrepublik“.                       Anhang 3
    Die Referentin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fritz Bauer Institut (Frankfurt), unter anderem mit den Forschungsschwerpunkten zur Biographie und Wirkungsgeschichte Fritz Bauers. Zur Zeit arbeitet sie an einem Forschungsprojekt über „Fritz Bauer im Visier der extremen Rechten“. Hier geht es um zwei Attentatsversuche von rechtsextremen Netzwerken gegen Fritz Bauer in den 1960er Jahren. In dem Vortrag wird sie kurz darüber berichten.
  1. Einweihung des neuen Fritz Bauer Platzes in Braunschweig am 22. April 2025
    Nachdem die geplante Einweihung des neuen Fritz Bauer Platzes im Oktober 2024 nicht stattfinden konnte (wegen der ungünstigen Witterungsverhältnisse – eine Bepflanzung war wegen der anhaltenden Hitze nicht möglich gewesen), steht der neue Termin fest: Es ist am 22. April 2025 (um 13 Uhr).
    Zur Zeit läuft ein Gestaltungswettbewerb für eine Büste zu Fritz Bauer, die dort aufgestellt werden soll.
    Vielleicht kann der Siegerentwurf dann auch der Öffentlichkeit präsentiert werden.
  1. Theaterstück zu Fritz Bauer im Staatstheater Braunschweig
    Am 15.11.2024 ist im Staatstheater Braunschweig die Premiere zu dem Schauspiel „Fritz Bauer Ultras“ Geplant sind Aufführungen bis zum 14.02.2025. Es ist ein Projekt von Xweiss, das für immersive dokumentarische Arbeiten in den darstellenden Künsten steht.
    https://staatstheater-braunschweig.de/produktion/fritz-bauer-ultras-at
  1. Fritz Bauer Institut (Frankfurt)
    Mi, 13. November 2024, um 18.15 Uhr
    „Eugenische Phantasmen. Eine deutsche Geschichte.“ Vortrag von Prof. Dr. Dagmar Herzog
    In ihrem neuen Buch unternimmt Dagmar Herzog den Versuch, eine Geistesgeschichte der geistigen Beeinträchtigung zu schreiben, indem sie die Debatten über den Wert behinderten Lebens nachzeichnet, wie sie in den letzten 150 Jahren geführt wurden. Abgrund dieser Epoche war ein schier unvorstellbares Massenmordprojekt, das eine komplexe Vorgeschichte hat und eine erstaunlich lange Nachgeschichte. Die Eugenik zu verlernen, hat sich in Deutschland als ein außerordentlich zäher Prozess erwiesen, der bis heute nicht abgeschlossen ist.
    Wie soll man über die Mitbürger:innen mit den unterschiedlichsten kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen Diagnosen denken und fühlen? Wie mit ihnen umgehen? Indem die Deutschen über diese Fragen stritten, rangen sie stets auch um ihr Selbstverständnis als Nation. (Suhrkamp-Verlag)
    Hybridveranstaltung: Livestream auf YouTube: https://youtu.be/Z95TfihUh3o

Weitere Veranstaltungen:
Mi, 20. November 2024, um 18.15 Uhr
„Zwischen Selbsthilfe, antifaschistischen Kampf und Kaltem Krieg“. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der frühen Nachkriegszeit.
Vortrag von Dr. Katharina Stengel (Präsenz)
Mi, 27. November 2024, um 18.15 Uhr
„Der Kalmenhof“. NS-Euthanasie und ihre Nachgeschichte.
Buchvorstellung mit Christoph Schneider (Präsenz)https://www.fritz-bauer-institut.de/veranstaltungen

  1. Fritz Bauer Forum (Bochum)
    Im Archiv des Fritz Bauer Forums ist ein Überblick über die Schriften von Fritz Bauer mit kurzen Hinweisen zu finden. Die Sammlung vermittelt einen guten Eindruck über die Vielfalt und Fülle von Fritz Bauers Denken.
    https://www.fritz-bauer-forum.de/archive/schriften/
  1. NS-„Euthanasie“
    – Arbeitskreis zur Erforschung der NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation
    Frühjahrstagung 2025 in der Gedenkstätte Pirna/Sonnenstein vom 9.-11.Mai 2025
    Herbsttagung 2025 in der Gedenkstätte Wehnen (Oldenburg)
    Infos unter https://www.ak-ns-euthanasie.de/wp-content/uploads/2023/12/VoreinladungGSPS.pdf

– Aufruf des Arbeitskreises „Euthanasie“-Forschung zur Unterstützung der Gedenkstätte Wehnen
Bis heute arbeitet die Gedenkstätte Wehnen (Oldenburg) auf ehrenamtlicher Basis. Angesichts wachsender Besucherzahlen (bis zu 100 Besuchergruppen pro Jahr und Hunderte von Einzelbesuchern) gerät der Betrieb an den Rand seiner Möglichkeiten. Anbei ein Aufruf des AK „Euthanasie-Forschung“ zur finanziellen Unterstützung der Gedenkstätte, der am 29.10.2024 auf der Herbsttagung des AK in Mainkofen verabschiedet wurde.                    Anhang 4

– Ausstellung zu Elfriede Lohse-Wächtler
Elfriede Lohse-Wächtler (1899- 1940) war eine Ausnahmekünstlerin, die bedeutende Bilder im Rahmen der neuen Sachlichkeit schuf. Durch schwierige Lebensumstände geriet sie in eine Krise, die 1929 zu einem ersten Klinikaufenthalt führten. Später wird sie in der „Aktion T4“ 1940 ermordet.
Die Ausstellung widmet der Künstlerin in Hamburg eine umfassende Retrospektive mit ca. 100 Bildern. Anlass ist ihr 125. Geburtstag am 4. Dezember 2024.                          Anhang 5

– 4. Bundesweiter Theater-Wettbewerb zu Biografien der Opfer der NS-„Euthanasie“-Verbrechen
Der Förderkreis Gedenkort T4 e.V. startet den 4. Jahrgang des bundesweiten Theaterwettbewerbs „andersartig gedenken on stage“ und ruft Theatergruppen auf, Biografien der Opfer der NS-„Euthanasie“-Verbrechen für die Bühne zu erarbeiten.
Einsendefrist: 15. Januar 2026 – Preisverleihung: 23.Juni 2026 in Berlin                               Anhang 6
https://www.andersartig-gedenken.de/startseite.html

  1. Bundestag
    – Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP mit dem Titel „Nie wieder ist jetzt – Jüdisches Leben in Deutschland schützen, bewahren und stärken“ (7.11.2024)
    Der Antrag wird mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/ Die Grünen, FDP und AFD gegen die Stimmen der Gruppe BSW und bei Enthaltung der Gruppe Die Linke angenommen.
    Es gab zwei Änderungsanträge, die das BSW und Die Linke eingebracht hatten. Beide Anträge wurden abgelehnt. Anbei der Link zu den Anträgen und Kommentaren aus den verschiedenen Parteien.
    https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw45-de-juedisches-leben-1027708
    Gregor Gysi betonte, das Existenzrecht Israels sei aus gutem Grund deutsche Staatsräson. Zugleich wies er darauf hin: „Es gibt kein sicheres Israel ohne ein sicheres und souveränes Palästina. Die Kritik an der israelischen Regierung muss erlaubt sein und hat mit Antisemitismus nichts zu tun, wenn sich nicht dahinter eine Ablehnung des Judentums verbirgt.“

– Antrag zur Aufarbeitung der „Euthanasie“ im Bundestag
Der Antrag wurde am 27.06.2024 erstmals im Deutschen Bundestag debattiert und am 3.07.2024 vom Kulturausschuss gebilligt. Am 7.November 2024 sollte er in 2. und 3. Lesung im Bundestag abschließend behandelt werden. Durch die Turbulenzen des Tages (Trump-Sieg in Amerika, Ende der Ampel-Regierung) entfiel der Tagesordnungspunkt und wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Zu dem Antrag eine Info der Bundestags-Presse vom 27.06.24, dazu auch eine Kritik vom Bund der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten (BEZ)
https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1011894
https://dserver.bundestag.de/btd/20/119/2011945.pdf
https://www.euthanasiegeschaedigte-zwangssterilisierte.de/neues/aktuell-2024/16-07-24-kommentar-ag-bez-bundestagsantrag-aufarbeitung-euthanasie-und-der-zwangssterilisationen-waehrend-der-nationalsozialistischen-diktatur-intensivieren/
Der Antrag ist insgesamt ein großer Fortschritt. Einerseits wird die Aufarbeitung der NS-Euthanasie“ unterstützt. Zudem stellt der Deutsche Bundestag in dem Antrag „ausdrücklich fest, dass die Opfer der NS-„Euthanasie“ und die Opfer von Zwangssterilisation als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen sind“.

  1. Fritz Bauer Freundeskreis
    Das nächste Treffen des Fritz Bauer Freundeskreises ist am Montag, den 25.11.2024, um 17 Uhr im DGB-Haus, Braunschweig, Wilhelmstraße 5.
    Zu Gast ist Katharina Rauschenberger (Fritz Bauer Institut/ Frankfurt) mit einem Vortrag über „Fritz Bauer und ‚der Widerstand des kleinen Mannes“ – Der Kampf um die Demokratie in der post-nationalsozialistischen Bundesrepublik“                                Anhang 3

Weitere Veranstaltungen:
Mo, 27.01.2025 – Arnulf Heinemann (Göttingen): Vom reformierten Strafvollzug zum Strafvollzug in der NS-Zeit – Das Beispiel der Strafanstalt Wolfenbüttel                                    Anhang 7
Mo, 31.03.2025 – Kristina Meyer (Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin): Fritz Bauer, die SPD und die „Ungesühnte Nazijustiz“                                                                                                      

Viele Grüße
Udo Dittmann