Infos zu Fritz Bauer Dezember 2022

Liebe Interessent*innen des Fritz Bauer Freundeskreises,
anbei wieder einige aktuelle Infos zu Fritz Bauer und verwandten Themen:
(Anhänge nur im Originalrundbrief)

  1. Fritz Bauer in Kopenhagen
    Es besteht Aussicht, dass nach Fritz Bauer eine Straße oder ein Platz in Kopenhagen benannt wird. Der zuständige Ausschuss im Rat von Kopenhagen hat positiv auf die Anfrage von drei Journalisten reagiert, die den Vorschlag eingebracht haben. Bauer hatte in Dänemark von 1936-43 im Exil gelebt und die Zeit nach Kriegsende von 1945-49 in dem Land verbracht.
    Außerdem bereiten das Jüdische Museum in Kopenhagen und das neue Flüchtlings-Museum (FLUGT) in Varde (Jütland) eine Wanderausstellung über Bauers Jahre in Dänemark (sowie 1943-45 in Schweden) vor, die auch in Stockholm und New York gezeigt werden soll. Anfang 2024 wird die neue Bauer-Biographie des britischen Autors Jack Fairweather  auf deutsch, englisch sowie in dänischer Sprache erscheinen.
    Dazu ein Beitrag von Thomas Borchert in der Frankfurter Rundschau vom 4.11.2022:
    https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/eine-fritz-bauer-strasse-fuer-kopenhagen-lebenswerk-im-zeichen-von-humanitaet-91894812.html
  1. Fritz Bauer statt Hindenburg – neue Fritz Bauer Straße in Darmstadt
    In der Innenstadt von Darmstadt wird die Hindenburgstraße in Darmstadt in Fritz Bauer Straße umbenannt. Drei Jahre nach der grundsätzlichen Entscheidung ist jetzt die konkrete Umsetzung beschlossen worden.
    https://www.fr.de/rhein-main/darmstadt/darmstadt-fritz-bauer-statt-hindenburg-91905862.html
  1. Fritz Bauer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille in Frankfurt – diese ist die höchste Auszeichnung des Landes Hessen
    Am 1. Dezember 2022 erhielt Fritz Bauer posthum die Leuschner-Medaille, die an Menschen verliehen wird, die sich vorbildlich für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit einsetzen oder eingesetzt haben. In seiner Rede bezeichnete Boris Rhein, der Ministerpräsident von Hessen, „Fritz Bauer als eine der Schlüsselfiguren der jungen deutschen Demokratie“. Den Preis nahmen die Großnichten von Bauer, Marit Tiefenthal und Pernilla Öhman, die beide in Schweden leben, entgegen. Die Veranstaltung fand in der Goethe-Universität in Frankfurt statt.
    https://aktuelles.uni-frankfurt.de/veranstaltungen/leuschner-medaille-posthum-fuer-fritz-bauer
    Dazu kurze Filmbeiträge vom ZDF sowie der Hessenschau:
    https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal-update/wilhelm-leuschner-medaille-bauer-generalstaatsanwalt-102.html
    https://www.hessenschau.de/tv-sendung/wilhelm-leuschner-medaille-verliehen,video-176812~_story-wilhelm-leuschner-medaille-an-nazi-jaeger-fritz-bauer-100.html
  1. Ronen Steinke: Zur Verleihung der Leuschner-Medaille an Fritz Bauer
    In einem kritischen Beitrag äußert sich Ronen Steinke, einer der Bauer-Biographen, zur Rolle der CDU in Bezug auf Bauer:
    „Die Union hat Bauer aufs Härteste bekämpft“ – in Frankfurter Rundschau vom 30.Nov.2022
    https://www.fr.de/rhein-main/landespolitik/fritz-bauer-hessen-spaete-ehrung-union-cdu-hessen-generalstaatsanwalt-91946558.html
    einem weiteren Interview auf Youtube in der Reihe „Jüdisches Leben im Focus – Der Fall Fritz Bauer – Deutsche Juden nach 1945“ hebt Steinke das Jüdisch-Sein von Bauer hervor, obwohl sich dieser  nach 1945 bewusst als Atheist bezeichnet hat und keine direkten Bezüge mehr zu seiner jüdischen Herkunft hatte. Dies bezeichnet er als Tragik von Bauer. – Es mag offen bleiben, ob Bauer das auch so empfunden hat oder ob er eher von außen in die Rolle eines Juden gedrängt wurde.
    https://www.youtube.com/watch?v=y_MPui57vtc
  1. Fritz Bauer Forum (Bochum) – Vorstellung einer neuen Fritz Bauer Webseite
    Am 11. Januar 2023 wird die neue Fritz Bauer Webseite „Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich feindliches Ausland“ im Justizzentrum in Bochum vorgestellt. Sie wird dort auf einem Bildschirm als Dauerausstellung abrufbar sein.
  1. Fritz Bauer Institut (Frankfurt)
    – Das Bulletin des Fritz Bauer Institutes „Einsicht 2022“ ist erschienen und kann als Download heruntergeladen werden. Schwerpunkte des Heftes sind das Kriegsjahr 1942 mit Beiträgen zu Raubwirtschaft,, Zwangsarbeit und Vernichtung sowie über den rechten Terror in der Weimarer Republik.
    https://www.fritz-bauer-institut.de/fileadmin/editorial/publikationen/einsicht/Einsicht-2022_Einzelseiten.pdf 

– Kleine Reihe zur Geschichte und Wirkung des Holocaust
Bd.1: Der Auschwitz-Prozess auf Tonband. Akteure, Zwischentöne, Überlieferung. Hrsg. von Sybille Steinbacher und Katharina Rauschenberg.
Bd. 2: 25 Jahre Fritz Bauer Institut. Hg. von Sybille Steinbacher
https://www.fritz-bauer-institut.de/publikation/25-jahre-fritz-bauer-institut

  1. Dieter Schenk „Wolfsjahre“ – Szenische Aufführung über einen furchtbaren Juristen, der als Chef der Frankfurter Staatsanwaltschaft den Auschwitz-Prozess verhindern wollte
    Am 20.11.2022 wurde in Bad Hersfeld in der Kleinkunstbühne Buchcafé das Ein-Personen-Kammer-spiel von Dieter Schenk aufgeführt. Es erzählt die Geschichte des Juristen Heinz Wolf, der in der NS-Zeit als Staatsanwalt etwa 30 polnische Bürger zum Tode verurteilte und später als Leiter der Frankfurter Staatsanwaltschaft versuchte, den Auschwitz-Prozess zu verhindern, was ihm allerdings als Gegenspieler von Fritz Bauer nicht gelang.
    Anbei ein Bericht dazu aus der Hersfelder Zeitung vom 23.11.2022.                Anhang 1
    Das Stück ist auf der Webseite des Fritz Bauer Freundeskreises nachzulesen: http://fritz-bauer-freundeskreis.de/wp-content/uploads/2022/08/2-Schenk_WOLFSJAHRE_Kammerspiel_2022.pdf 
  1. Zur sogenannten „Roten Kapelle“
    Die Bezeichnung „Rote Kapelle“ stammt von der Gestapo für verschiedene Gruppen des Widerstandes gegen Hitler. Allerdings war die „Rote Kapelle“ weder kommunistisch gelenkt noch unter einheitlicher Leitung, sondern ein Netzwerk von einzelnen Gruppen und Personen aus unterschiedlichen Regionen. 2016 dokumentierte eine Historikerkommission die gezielte Verleumdung durch den deutschen Geheimdienst. Selbst der „Stern“ und der „Spiegel“ verbreiteten noch in den 60er Jahren Falschinformationen über diese Gruppe, was für die Angehörigen sehr belastend war.
    Ebenfalls 2016 erschien der Film „Die guten Feinde“ von Christian Weisenborn, der die Geschichte um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack näher beschreibt und die Widerstandsgruppe, zu der auch sein Vater gehörte, nachträglich rehabilitiert.
    Bauer hatte 1951 vor dem Remer-Prozess Anna von Harnack gebeten, von einer Anzeige gegen Remer Abstand zu nehmen, da damals der Widerstand der „Roten Kapelle“ als kommunistisch galt und für Bauer den Prozess um den 20.Juli erschwert hätte.
    Film: „Die guten Feinde. Mein Vater, die Rote Kapelle und ich“ von Christian Weisenborn. 2016.
    Die US-Autorin Rebecca Donner hat nun ein Buch über ihre Urgroßtante Mildred Harnack verfasst, die ebenfalls im Widerstand gegen Hitler kämpfte und geköpft wurde. In einem Spiegel-Artikel wird allerdings das Buch kritisch besprochen, da die Fakten nicht immer stimmen würden. Trotzdem ist es ein Bestseller geworden.                                                      Anhang 2
    Rebecca Donner: Mildred. Die Geschichte der Mildred Harnack und ihres leidenschaftlichen Kampfes gegen Hitler. 2022.
    Es ist die Frage, ob die Bezeichnung „Rote Kapelle“ noch verwendet werden sollte, da sie diffamierend und irreführend ist. Besser könnte man vielleicht sprechen von der Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack.       
  1. Generalplan Ost – zum Konzept des „Lebensraumes im Osten“ – Aktion Zamosc
    Der Generalplan Ost (GPO) ist eine  Ansammlung von Plänen zur Kolonisierung und „Germanisierung“ von  Teilen  von Ost- und Mitteleuropas einschließlich der geplanten Vernichtung der Bevölkerungsgruppen, die nicht in das Konzept passten. Von 1940 -1942 wurden dazu zahlreiche Planungen erstellt. Der Vernichtungskrieg im Osten ist weitgehend in diesem Zusammenhang zu sehen. Insgesamt ist der GPO allgemein wenig bekannt – erst durch die Arbeit von Götz Aly/ Susanne Heim Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung. (1991/ 2013) erfuhr man mehr darüber.
    Die „Aktion Zamosc“ war einer der beiden Versuche, die Besiedlungsmaßnahmen des GPO in Ostpolen umzusetzen. Dazu wurden 110.000 Polen aus der Region Lublin verschleppt, und es sollten dafür 60.000 „Volksdeutsche“ angesiedelt. werden, tatsächlich waren es  9.000.
    Die Stadt Schwäbisch Hall ist Partnerstadt der polnischen Stadt Zamosc:
    „Eine Delegation aus dem Landkreis Schwäbisch Hall mit Landrat Gerhard Bauer an der Spitze besuchte vom 25.-28. November 2022 den polnischen Partnerlandkreis Zamość. Anlass war der 80. Jahrestag des Beginns der Aussiedlung der Einwohner aus der Region Zamość, bei dem die Delegation mit dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda und Bundespräsident a. D. Prof. Dr. Horst Köhler zusammentraf.“
    https://www.lrasha.de/index.php?id=1006&publish%5Bid%5D=1455799&publish%5Bstart%5D=
    Eine Erinnerung an den „Generalplan Ost“ und seine möglichen Folgen steht noch aus. Pläne an ein Gedenken wurden 2003 in Berlin erwogen, dann aber nicht weiter verfolgt. Matthias Burchard von der Initiative „Völkerverständigung Ost-Mittel-Europa“ hat dazu mehrfach Anstöße gegeben:
    „Gedenken an Generalplan Ost“ – Schreiben der Gedenktafelkommission Berlin Mitte (2003)           Anhang 3
    Zum Gedenkobjekt  des vormaligen „SS-Zentralbodenamtes „ an der Friedrichstraße 110/ 112 – Antrag der CDU an die Bezirksverordnetenversammlung Berlin Mitte vom 19.02.2015       Anhang 4
  1. Bücher – Neuerscheinungen
    – Helmut Kramer: Schreibtischtäter und ihre vergessenen Opfer. Biographien aus der NS-Zeit und die Probleme institutioneller Gedenkkultur. Ossietzky-Verlag. 2022.
    Ein wichtiges Buch zur Aufarbeitung von NS-Unrecht durch Juristen.
    https://braunschweig-spiegel.de/neu-von-helmut-kramer-schreibtischtaeter-und-ihre-vergessenen-opfer
    – Anita Leocadia Prestes: Olga Benario Prestes. Eine biographische Annäherung. Berlin.2022.
    Olga Benario war eine deutsch-jüdische Kommunistin, die 1942 in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet wurde. 1936 war sie hochschwanger von Brasilien an Nazi-Deutschland ausgeliefert worden und brachte im Gefängnis ihre Tochter Anita zur Welt. Durch eine internationale Kampagne – durch ihre Schwiegermutter und Schwägerin veranlasst – wurde erreicht, dass die kleine Tochter Deutschland verlassen konnte. Ein berührendes Buch, in dem die Tochter die Geschichte ihrer Herkunft und Familie erzählt. Ihr Vater – Luis Carlos Prestes – war einer der führenden Kommunisten in Brasilien gewesen.
  1. Antisemitismus
    – Michel Friedman im Interview mit der Neuen Züricher Zeitung (19.11.2022) über sein neues Buch „Fremd“. Berlin-Verlag. Berlin. 2022
    https://www.nzz.ch/feuilleton/fremd-michel-friedman-sagt-was-jude-sein-in-deutschland-heisst-ld.1706529?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE
    – Kontroversen um den Film „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ (2017)
    Es ist ein 90-minütiger Dokumentarfilm von Joachim Schroeder und Sophie Hafner, der den aktuellen Antisemitismus vor allem in Deutschland, Frankreich und den von Israel besetzten Palästinensischen Autonomiegebieten behandelt. Die Auftraggeber, Arte und WDR, wollten den Film zunächst nicht ausstrahlen, weil er „anti-israelisch“ und „anti-protestantisch“ sei. Es entwickelte sich eine Kontroverse, bis bild.de den Film einfach ausstrahlte. Später wurde der Film in einer kommentierten Form am 21.Juni 2017 auf Arte und dem Ersten gezeigt. Die Frage war, wie viel Israel-Kritik darf im Deutschen Fernsehen gezeigt werden.
    Siehe dazu den Wikipedia-Beitrag zum Film https://de.wikipedia.org/wiki/Auserw%C3%A4hlt_und_ausgegrenzt_%E2%80%93_Der_Hass_auf_Juden_in_Europa
    sowie den Kommentar  https://journal-nrw.de/ein-negatives-stueck-fernsehgeschichte/
    Der Film ist zu sehen bei https://vimeo.com/221408850
  1. Film
    – Der Produzent des Fritz Bauer Filmes „Tod auf Raten“ (2010), Manuel Göttsching, ist tot
    Manuel Göttsching ist am 4. Dezember 2022 im Kreis seiner Familie in Berlin im Alter von 70 Jahren  friedlich verstorben. 2010 kam er als Produzent des Bauer-Filmes „Tod auf Raten“  mit seiner Frau, der Filmemacherin Ilona Ziok, nach Braunschweig, um dort den Film vorzustellen.
    Bekannt wurde Göttsching aber eher als Musiker, als Gründer von Ashra Temple und Begründer der elektronischen Musik in Deutschland.
    https://www.msn.com/de-de/unterhaltung/kino/manuel-g%C3%B6ttsching-ist-tot-musiker-von-ash-ra-tempel-und-e2-e4/ar-AA15bGjv
    – Kinostart des neuen Fritz Bauer Dokumentarfilmes „Gerechtigkeit verjährt nicht“ am 2.2.2023
    https://www.realfictionfilme.de/fritz-bauers-erbe-gerechtigkeit-verjaehrt-nicht.html 
  1. NS-„Euthanasie“
    – Bericht von der Frühjahrstagung 2022 des „Arbeitskreises zur Erforschung der NS-‚Euthanasie’ und Zwangssterilisation“ in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf vom 10.- 12. Juni 2022            Anhang 5
    Die nächsten AK-Treffen sind in Berlin (Charité), Hartheim (bei Linz) und Eglfing-Haar (München).
    https://www.ak-ns-euthanasie.de/wp-content/uploads/2022/09/Info-AK-Fj-2023.pdf
    – Szenische Lesung „Die Unfruchtbarmacher“ – Dokumentarspiel zu Gerichtsverfahren von Zwangssterilisierten in Mannheim in der NS-Zeit
    Vom AK „Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus in Mannheim e.V.“
    Der Trailor zum Film: https://www.akjustiz-mannheim.de/index.php/zwangssterilisierung/szenische-lesung/98-auffuehrungsorte-trailer
    – Ausstellung „Königslutter und der Krankenmord“ – Die Heil- und Pflegeanstalt Königslutter im Nationalsozialismus
    Die Ausstellung wird vom 5.1.- 14.2.2023 im Rathaus Lehre (bei Braunschweig) gezeigt.
    https://www.schillstrasse.de/aktuell
  1. Fritz Bauer Freundeskreis
    Das nächste Treffen des Fritz Bauer Freundeskreises ist am Montag, den 30.01.2023, um 17 Uhr im DGB-Haus, Braunschweig, Wilhelmstraße 5.                                                        Anhang 6

Mit vielen Grüßen
Udo Dittmann