Infos zu Fritz Bauer – August 2022

Liebe Interessenten des Fritz Bauer Freundeskreises,
anbei wieder einige aktuelle Infos zum Thema Fritz Bauer:
(Anhänge nur im Originalrundbrief)

  1. 10 Jahre Fritz Bauer Platz in Braunschweig
    Veranstaltungsreihe anlässlich des 10jährigen Jubiläums des Fritz Bauer Platzes vor der Generalstaatsanwaltschaft in Braunschweig vom 9.-15. September 2022
    – Freitag, 9. September 2022, um 17 Uhr – im DGB-Haus Braunschweig, Wilhelmstraße 5
    Dr. Irmtrud Wojak (Bauer-Biographin/ Bochum): Wer war Fritz Bauer? – Einführungsvortrag
    – Sonntag, 11. September 2022, um 11 Uhr – Fritz Bauer Platz
    Stadtspaziergang mit Udo Dittmann: Auf den Spuren von Fritz Bauer in Braunschweig
    – Montag, 12.September 2022, um 19 Uhr – im Universum Filmtheater
    „Fritz Bauers Erbe – Gerechtigkeit verjährt nicht“ (neuer Dokumentarfilm- Dt 2022)
    Filmvorführung mit Regisseurinnengespräch
    – Donnerstag, 15. September 2022, um 17 Uhr – im DGB-Haus, Braunschweig, Wilhelmstraße 5
    Dr. Claudia Fröhlich (Berlin): „Helden“ oder „Verräter“? – Fritz Bauer, der Braunschweiger Remer-Prozess und was wir von ihm lernen können
    Moderation: Prof. Dr. Gerd Biegel (Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte) Anhang 1
    http://fritz-bauer-freundeskreis.de/aktivitaeten
  1. Fritz Bauer und Hans Reinowski – zum Terror in Braunschweig 1933
    Braunschweig hatte seit 1930 reichsweit die erste durchgängige Regierung mit Beteiligung der NSDAP. Schon früh zeichnete sich ein enormer Terror in Braunschweig ab, der sich nach der Machtübernahme von Hitler derart steigerte, dass selbst Himmler den damaligen SS-Offizier Friedrich Alpers (ab 6.Mai 1933 auch Finanz- und Justizminister des Freistaates Braunschweig) zeitweise suspendierte. In einer dramatischen Schrift berichtet Hans Reinowski – bis 1933 Bezirkssekretär der SPD in Braunschweig – darüber. Die Schrift erschien 1933 anonym im Zürich und ist eines der frühesten Dokumentationen des NS-Terrors nach der Machtübernahme der NSDAP.
    Fritz Bauer lernte Reinowski im Exil in Dänemark kennen und gab mit ihm nach 1946 zeitweise die Exilzeitung „Deutsche Nachrichten“ heraus. Fritz Bauer wird daher wohl die Schrift von Reinowski gekannt haben und konnte ahnen, was ihn später in Braunschweig bei den Prozessen erwarten würde. Allerdings war der Kontakt zu Reinowski nicht konfliktfrei, da dieser zu einer Koalition innerhalb der Exil-SPD gehörte, die gegen Bauer und Willy Brandt kämpfte (ausführlich dazu in der Bauer-Biographie von Irmtrud Wojak).
    Hans Reinowski: Terror in Braunschweig. Aus dem ersten Quartal der Hitlerherrschaft. Zürich. 1933
    https://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/bestand/a-66539.pdf
  2. Kristina Meyer: Fritz Bauer, die SPD und die Ausstellung „Ungesühnte Nazi-Justiz“
    Reinhard Strecker und weitere Studenten des sds zeigten 1959 eine Ausstellung über NS-Juristen in Karlsruhe, in der es um eine Aufarbeitung von Justizverbrechen in der NS-Zeit ging. Ausgerechnet die SPD ging gegen die Studenten vor und schloss diese aus der SPD aus, da sie es für Propaganda aus Ost-Berlin hielten. Erst als der Generalbundesanwalt Max Güde (CDU) die Korrektheit der Unterlagen bestätigte, wurde die Ausstellung anerkannt.
    Für Fritz Bauer zunächst eine schwierige Situation, dass ausgerechnet seine eigene Partei – insbesondere der „Kronjurist“ der SPD Adolf Arndt und Herbert Wehner – gegen die Studenten agierten und diese Art der Aufklärung verhindern wollten. 1960 schrieb Fritz Bauer einen Artikel mit dem Titel „Die ‚ungesühnte’ Nazijustiz“, in dem er sich indirekt auf diese Ausstellung bezog.
    Kristina Meyer beschreibt in einem Aufsatz das ambivalente Verhalten der SPD zur juristischen Vergangenheitsbewältigung. Diese wollte einen „stillen“ Weg über das Parlament gehen und fühlte sich durch die Studenten gestört.
    Der spannende Aufsatz erschien in dem Buch „Fritz Bauer und ‚achtundsechzig“ (Hrsg .von Katharina Rauschenberger und Sybille Steinbacher, Göttingen, 2020). Im Anhang dazu die ersten Seiten des Aufsatzes, der einen Eindruck von der komplexen Situation vermittelt. Anhang 2
    Der SPD-Vorschlag, in Berlin eine Stele aufzustellen, wo die Ausstellung konzipiert wurde, wurde leider 2017 von der Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf abgelehnt.
  3. Zum Sondergericht Braunschweig
    Vorschlag für das Anbringen einer Tafel am Landgericht Braunschweig, die über die Tätigkeit des Sondergerichts informiert
    Seit 2012 versucht das Friedenszentrum Braunschweig, dass eine Tafel zum Sondergericht am Landgericht Braunschweig angebracht wird – bisher vergeblich. Nun hat der Fritz Bauer Freundeskreis einen neuen Antrag dazu gestellt (siehe Anhang).
    Sondergerichte wurden aufgrund einer Notverordnung durch RP Hindenburg vom 21.3.1933 für den Bezirk eines jeden OLG gebildet. Am 8.April 1933 trat das Sondergericht Braunschweig zum ersten Mal zusammen.
    Auf der Grundlage der „Reichstagsbrandverordnung“ (Einschränkung der Meinungs-, Versammlungsfreiheit usw.), des „Heimtückegesetzes“ und nach Kriegsbeginn der „Volksschädlingsverordnung“ sorgte das Sondergericht für die Stabilität der NS-Herrschaft. In Braunschweig fällte es 92 Todesurteile, die meist im Strafgefängnis Wolfenbüttel ausgeführt wurden.
    Viele der Braunschweiger Sonderrichter traten zum 1.Mai 1933 in die NSDAP aus Karrieregründen ein, als der Terror seinen Höhepunkt hatte.
    Auch Fritz Bauer hatte als Generalstaatsanwalt in einem seiner ersten Verfahren (Todesurteil zu Moses Klein) mit dem früheren Sondergericht zu tun. – Eine Tafel soll nun an das Sondergericht erinnern, auch mit einem kurzen Hinweis zu Fritz Bauer. Anhang 3
  4. „Helden“ oder „Verräter“? – Eine Veranstaltung der Konrad Adenauer Stiftung zum Remer-Prozess in Braunschweig (Juli 2022)
    Es mag überraschen, dass ausgerechnet die CDU-nahe Konrad-Adenauer Stiftung die einzige Veranstaltung zu „50 Jahre Remer-Prozess“ in Braunschweig durchgeführt hat. Man erfährt dabei, dass der Remer-Prozess durch den damaligen CDU-Innenminister Lehr angestoßen wurde (durch seine Anzeige gegen Otto Ernst Remer), der auch wesentlich für das Verbot der neonazistischen SRP im Herbst 1952 sorgte. Fritz Bauer griff diesen Impuls auf.
    Mit Carsten Müller (MdB-CDU), Barbara Havliza (Justizministerin Niedersachsen) und Dr. Axel Smend (Ehrenvorsitzender des Kuratoriums Stiftung 20. Juli)  Anhang 4
  5. Fritz Bauer Institut – Frankfurt
    – Geplante Attentate auf Fritz Bauer
    – Gefahr von der extremen Rechten
    Neues Projekt des Fritz Bauer Institutes mit Johannes Beermann-Schön, Niklas Krawinkel und Katharina Rauschenberger.- In den 60er Jahren gab es zwei konkret geplante Attentate gegen Bauer. Gegen die Bedrohung von rechts ging Bauer schon früh vor, gegen verschiedene Gruppierungen ließ er auch ermitteln, so schon 1953 noch in seiner Braunschweiger Zeit.
    Info dazu im neuen Jahresbericht 2021 des Fritz Bauer Institutes (S. 10-11)
    https://www.fritz-bauer-institut.de/fileadmin/editorial/publikationen/jahresbericht/jahresbericht-2021.pdf
    – Ein Oskar-Schindler-Platz für Frankfurt
    Am 24. Juni 2022 fand im Chagallsaal der Oper Frankfurt eine Veranstaltung zum Thema „Ein Oskar-Schindler-Platz für Frankfurt“ mit Prof. Dr. Sybille Steinbacher und Prof. Dr.Dr. Michel Friedman statt. – Schindler lebte von 1957 bis zu seinem Tod 1974 in Frankfurt in der Nähe des Hauptbahnhofs. Seit 2020 wird diskutiert, den Bahnhofsvorplatz nach Oskar Schindler zu benennen.
    Auf youtube ist die Diskussion zu verfolgen: https://www.youtube.com/watch?v=Nb_EdNxN3QM
  6. Eine Fritz-Bauer-Straße in Kopenhagen?
    Am 16.Juli 2022, dem Geburtstag von Fritz Bauer, veröffentlichte Thomas Borchert in der Frankfurter Rundschau einen Beitrag mit dem Titel „Nazi-Jäger: Warum Kopenhagen eine Fritz-Bauer Straße bekommen sollte“. Unterstützt wird er von Finn Rowold (Vorsitzender der Dänisch-Deutschen Gesellschaft) und Michael Kuttner (langjähriger Deutschland-Korrespendent verschiedener dänischer Zeitungen).
    Das Lebenswerk von Bauer sei auch wesentlich durch die zehn Jahre Exil-Zeit in Dänemark geprägt. Es wäre auch eine Anerkennung für andere Flüchtlinge, die dort „unter schweren Bedingungen Außerordentliches vollbracht haben“.
    https://www.fr.de/politik/fritz-bauer-kopenhagen-daenemark-nationalsozialismus-flucht-91670180.html
  7. Erinnerungskultur
    – Zur Gedenkstätte Wolfenbüttel (von Udo Dittmann)
    Die Kritik von Joe Biden an der Neugestaltung der Gedenkstätte Dachau hatte für Diskussionen zur Gedenkstättenkultur in Deutschland gesorgt. Bei einem Besuch in der neuen Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel ging es mir ähnlich. Ein aufwändiger Neubau mit Informationen auf dem neuesten Stand – allerdings ohne den nachhaltigen Eindruck, den die alte Gedenkstätte vermittelte. Hier ein kurzer Bericht zum Besuch in der neuen Gedenkstätte, in der in der NS-Zeit über 500 Personen hingerichtet wurden.             Anhang 5
    – Zur Gedenkstätte Bergen- Belsen (von Joachim Perels, 2010)
    Wer die Gedenkstätte Bergen-Belsen besucht, wundert sich vielleicht, dass es dort keine Anzeichen mehr von dem früheren KZ gibt. Joachim Perels hatte dazu einen offenen Brief (2010) an den damaligen Niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusmann geschrieben, in dem er auf Fehlentwicklungen in der dortigen Gedenkstättenarbeit aufmerksam macht. Er kritisiert die „gartenartige Entsorgung der Wirklichkeit des Konzentrationslager“. Architekt war Wilhelm Hübotter, der im Auftrag Himmlers den Sachsenhain für die SS in Verden konzipierte. Die Vertretung der Juden hatte damals diese Form der Landschaftsgestaltung abgelehnt.
    Joachim Perels: Gegenaufklärung in der Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen. Aus J. Perels: Der Nationalsozialismus als Problem der Gegenwart. Frankfurt. 2015. S. 149- 156.        Anhang 6
    – Hans-Ernst Böttcher: Recht und Gedenken – Wie sollen wir in unserer Gesellschaft heute mit der Erinnerung an die NS-Taten umgehen?
    Aus: Schleswig-Holsteinische Anzeigen. Justizministerialblatt für Schleswig-Holstein. 4/ 2022
  8. NS-„Euthanasie“
    – Herbsttagung des Arbeitskreises zur Erforschung der NS-„Euthanasie“ und Zwangssterilisation
    vom 11.. 13.November 2022 in der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg
    Die »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg befindet sich am Ort einer ehemaligen »Kinderfachabteilung« und »Ausländersammelstelle«, in denen zwischen 1941 und 1945 mindestens 300 bis 350 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und normenabweichendem Verhalten sowie mehrere hundert erwachsene Psychiatrie-Patientinnen und -Patienten ausländischer Herkunft ermordet wurden. Aus der Lüneburger Anstalt wurden im Frühjahr 1941 zudem 475 Patientinnen und Patienten in die »Aktion T4« verlegt.
    Seit 2015 befindet sich die Lüneburger Gedenkstätte in einem Neugestaltungsprozess. Nach Einrichtung eines Bildungszentrums (2019/2020) wird ab September 2022 ein Dokumentationszentrum mit neuer Dauerausstellung errichtet. Seit zwei Jahren prägen fundamentale Veränderungen in der Vermittlung und Forschung die Aufarbeitung von Zwangssterilisations- und »Euthanasie«-Verbrechen. Diese Entwicklungen geben Anlass für die thematische Schwerpunktsetzung TRANSFORMATIONEN der Herbsttagung.“
    www.ak-ns-euthanasie.de Kontakt: Dr. Carola S.Rudnick: info@gedenkstaette-lueneburg.de
    – Yad Vashem: Online-Vertiefungsseminar – 12.September 2022
    „Doppelte Verfolgung. Psychisch kranke und behinderte Jüdinnen und Juden im NS“ –
    Referentin: Prof. Dr. Marianne Hirschberg
    Der Vortrag ist Teil einer mehrteiligen Online-Veranstaltung, die von der Gedenkstätte Yad Vashem durchgeführt wird.
    Rückfragen an: julian.tsapir@yadvashem.org.il
    – Gedenkort Kalmenhof: „Kinderfachabteilung“ und Zwischenanstalt für die Tötungsanstalt Hadamar
    Am Samstag, den 10.09.2022, ist in der Stadthalle Idstein eine öffentliche Informationsveranstaltung (von 13.30- 19.00 Uhr).                   Anhang 8
    Info/ Anmeldung unter info@gedenkort-kalmenhof.de
  9. Weiteres
    – Bad Hersfeld – So, 11.09.2022 um 20 Uhr – Buchcafé Bad Hersfeld
    „Wolfsjahre“ – Kammerspiel. Ein Ein-Personen-Stück … über die Nachkriegskarriere eines Nazitäters, der für zahlreiche Todesurteile verantwortlich war und nie zur Verantwortung gezogen wurde. Text und Regie: Dieter Schenk
    – Helmstedter Universitätstage     – 22.-25.September 2022
    Thema „Attentat und Gesellschaft“ mit Prof. Dr. Jan Philipp Reemstma u.a.
    https://www.universitaetstage.de/universitaetstage/programmablauf.html
    – Forum Justizgeschichte – 24.Jahrestagung in der Richterakademie Wustrau – 23.-25.09.2022
    „Konjunkturen des Staatsschutzes. Die Justiz und der Schutz von Republik und Verfassung (1922- 1972- 2022)
    https://www.forumjustizgeschichte.de/24-jahrestagung-konjunkturen-des-staatsschutzes-die-justiz-und-der-schutz-von-republik-und-verfassung-1922-1972-2022-23-bis-25-september-2022-richterakademie-wustrau
    – Zur deutsch-tschechischen Geschichte: Theaterstück „Fingierte Grenzen“
    Theaterstück „Fingierte Grenzen“ : Die Flüchtlingsfalle (br.de)
    Zeitreise FINGIERTE GRENZEN (Aktion Kámen) | OVIGO Theater (ovigo-theater.de)
    „Es ist eine Zeitreise in den Kalten Krieg: Der tschechische Geheimdienst hat eine falsche Staatsgrenze errichtet – Zollgebäude und Amtsräume inklusiv -, um Menschen an der Flucht zu hindern. Ein Theaterstück erinnert nun an diese Flüchtlingsfalle.“
  10. braunschweig-spiegel (Online-Zeitung)
    – Zum Widerstand der kleinen Leute
    Uwe Meier über die „Verzögerte Moral der Eliten“. Auch der Widerstand der Leute sollte gewürdigt werden – ganz im Sinne von Fritz Bauer.
    https://braunschweig-spiegel.de/verzoegerte-moral-der-eliten
    – Ehrung unerwünscht
    Ein Historiker weigert sich, den Namen von Herta Pape, die eine Jüdin vor den Nazis versteckt hatte, in seinen Büchern zu nennen, obwohl diese von der Stadt Wolfenbüttel dafür geehrt wurde. Dahinter scheinen Angehörige zu stehen, die diese Namensnennung nicht möchten.
    https://braunschweig-spiegel.de/ehrung-unerwuenscht
    – Einweihung einer Informationsstele vor dem Rennelberg-Gefängnis in Braunschweig
    https://braunschweig-spiegel.de/einweihung-der-informationsstelen-vor-dem-braunschweiger-gefaengnis
    – Zum Kolloquium anlässlich des 90. Geburtstags von Helmut Kramer in Braunschweig –
    ein Bericht von Udo Dittmann
    https://braunschweig-spiegel.de/richter-mahner-streiter
  11. Fritz Bauer Freundeskreis
    Das nächste Treffen des Fritz Bauer Freundeskreises ist am Montag, 26.09.2022, um 17 Uhr im DGB-Haus, Braunschweig, Wilhelmstraße 5. Anhang 9
    Auf den Tag genau vor elf Jahren (26.09.2011) fand das erste Treffen des Freundeskreises statt. Seitdem gab es die regelmäßigen Treffen und den Rundbrief, der immer über Bauer berichtete und damit einen kleinen Beitrag zum Bekanntwerden des früheren Generalstaatsanwaltes leistete.
    Viele Grüße
    und eine schöne Ferienzeit
    Udo Dittmann